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Eine der wesentlichen Funktionen der unter dem Namen Neue Heimat 1939 gegründeten gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft war es, für die Südtiroler Umsiedler, die sogenannten Optanten, neuen Wohnraum zu schaffen. Der Begriff der Option bezieht sich auf die unter der faschistischen Diktatur zwischen 1939 und 1945 erzwungene Wahlmöglichkeit für deutschsprachige Südtiroler und Ladiner, entweder ihre Südtiroler Heimat zu verlassen und als „Optanten“ die Option für Deutschland anzunehmen oder als „Dableiber“ in Südtirol zu bleiben.

Diese historische Tatsache greift Claudia Fritz in ihrer für diesen Ort konzipierten Arbeit auf. In einer All-Over-Struktur überzieht sie den Durchgang mit einem Text, der Auszüge aus historischen Flugblättern zur Option beinhaltet. Das Konzept der Künstlerin basiert auf der Verbindung zwischen Architektur und Fotografie. Die Texte in Schreibmaschinenschrift sind Digitaldrucke, die jedoch durch den unregelmäßigen Schriftverlauf, die Risse im Papier und die architektonischen Bedingungen im Durchgang sehr lebendig und dynamisch wirken. Das Werk wird von einer Dichotomie bestimmt, die über das rein historisch Faktische hinausgeht und grundsätzliche Fragen künstlerischen Schaffens berührt. Der erste Eindruck beim Durchqueren des Durchgangs ist die raumgreifende Struktur von Text. Die Sprache erfasst den Raum. Der Betrachter geht im wörtlichen Sinne durch einen Sprachraum. Der Text andererseits definiert den historischen Ort. Der Durchgang spiegelt eine historische Identität wider. So wird Geschichte als architektonischer Raum sichtbar. Der Inhalt des Textes vermittelt sich jedoch nicht rein linear, gleichsam wie eine Abhandlung aus einem Geschichtsbuch. Vielmehr suggeriert er die Intensität, Emotionalität und politische Relevanz durch eine eher spontane bruchstückhafte Wahrnehmung von Wörtern. Jener brisante Konflikt für die Menschen, die unlösbare vermeintliche Wahl zwischen dem Verlassen der ursprünglichen Heimat oder dem Verlust der eigenen kulturellen und historischen Identität zeigt sich ganz unmittelbar an den Satzfragmenten, den zerknüllten Textfetzen und den zerrissenen Blättern.

Der Titel des Werks, „schwarz-weiß“ ist ebenso doppeldeutig. Einerseits verweist er auf die grafisch architektonische Gestaltung des Durchgangs, die Schreibmaschinenschrift ist schwarz, das Papier, die Wand, ist weiß. Zum anderen aber ist schwarz-weiß in einem allgemeineren Sinne immer auch Gegensatzpaar, Option oder Dableiben. Die zurückgenommene, minimalistische Visualisierung ist als historisch sachliche Darstellung geschichtlich relevanter Tatsachen zu sehen, sie verleiht dem Werk aber auch geraden durch ihre scheinbare Einfachheit große inhaltliche Eindringlichkeit.

Dr. Gaby Gappmayr

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Claudia Fritz
Bilder schwarz-weiß